Donnerstag, 1. Juli 2010

Mittsommer


Hallo zusammen,
ich sitze gerade gemütlich in der Frühlingssonne und schreibe an meinem neuen Computer einen Blogeintrag. Die Möglichkeit dazu eröffnet mir eine Art „Kurzurlaub“, den ich gerade habe.  Wie kam es dazu?
Nun, trotz der vielen Arbeit gilt natürlich immer noch der Grundsatz „Man muss die Feste feiern wie sie fallen.“, und gerade war ein sehr wichtiges Fest in Schweden: Das Mittsommerfest (midsommarafton). Und wer sich nun fragt ob ich hier nicht etwas leichtfertig nichtige Anlässe ausnutze, um etwas freizumachen, und ob ich mir dann auch bei Viktorias Hochzeit freigenommen habe, dem erwidere ich mit einem doppelten Nein. Nein, Viktorias Hochzeit war an einem Samstag, ich musste mir also nicht freinehmen (die spannende Liveübertragung habe ich wegen der parallel stattfindenden WM-Spiele leider trotzdem verpasst, was mich wohl auch nicht gerade zu einem besseren Schweden macht). Und nein, Mittsommer ist wirklich ein wichtiges Fest in Schweden, vergleichbar mit Weihnachten, wenn man den religiösen Aspekt mal außen vor lässt. Denn ähnlich wie bei diesen Festen handelt es sich auch hier um ein Fest, bei dem sich alle die können freinehmen (ausgenommen die Supermarktmenschen, aber dazu siehe mein älterer Blogeintrag), staatliche Institutionen geschlossen sind, Geschäfte in der Stadt wenn überhaupt nur bis 13 Uhr offen haben. Und auch in der Uni kam niemand (so haben es zumindest alle angekündigt, überprüft habe ich es nicht), auch wenn es ganz offiziell kein Feiertag in Schweden ist.
Dann ist es, genau wie Weihnachten auch, ein Familienfest. Also nicht wie Muttertag, wo die Mütter mit einem Bollerwagen voll Bier grölend durch die großstadtnahe Natur ziehen, oder Silvester wo viele mit Freunden feiern. Das habe ich auch bei meinem ersten Mittsommerfest erfahren müssen, als ich das erste und einzige Mal tatsächlich eine zeitlang allein auf meinem Studentenwohnheimkorridor war. Alle weg. Und sogar auf der großen vierspurigen Straße, die idyllisch am Wohnheim vorbeiführt, kam nur hin und wieder mal ein Wagen vorbei, und die ist sonst wirklich stark befahren.
Ich hoffe ich konnte klarmachen, dass es wirklich ein großes Fest in Schweden ist, und damit genug der langen Vorreden, kommen wir zu meinem Mittsommer. Wie die meisten von euch wissen bin ich ja Gastmitglied in einer schwedischen Familie, und so hatte ich dieses Mal das Glück, nicht betrübt allein auf meinem Zimmer zu sitzen, sondern ein ziemlich schwedisches Mittsommer miterleben zu können.
Wie viele schwedische Familien besitzt auch ‚meine‘ eine sogenannte sommarstuga, ein Sommerhäuschen. Das entspricht in etwa dem, was man – für die, die schon mal in Schweden Urlaub gemacht haben – als Ferienhaus mietet, und dort verbringen sie dann ihren ganzen Sommer (typischerweise den Juli, denn da machen alle Schweden Urlaub). So ein Häuschen liegt logischwerweise außerhalb größerer Städte, mitten in der schönen schwedischen Natur. Und so eines hat auch meine Gastfamilie, und dorthin fuhren wir also über Mittsommer.
 
Mittsommer ist übrigens immer an dem Freitag nach der kürzesten Nacht, soweit ich das verstanden habe (außer die kürzeste Nacht ist selbst ein Freitag, nehme ich an). Früher war das mal anders, aber weil die feierfreudigen Schweden das zum Anlass nahmen, dann mehr oder weniger gleich die ganze Woche durchzufeiern (man muss ja vorfeiern, und danach geht erst mal nix mehr), wurde das mal geändert.
Gegen Mittag waren wir am Sommerhäuschen, und zunächst gab es mal ein richtig mittsommerschwedisches Mittagessen: Hering, Kartoffeln, Schnaps etc., näheres siehe Bild. Der Schwede nennt das ‚sillunch‘ (sill= Hering, lunch= Mittagessen, übrigens: middag=Abendessen).  Sollt ja auch was lernen. ;-).
 Typisch schwedisches Mittsommermittag mit Hering. Was wäre mein Blog ohne die Essens-Bilder? Der Kicker ist übrigens nicht Bestandteil eines typischen Mittsommeressens.
Nachmittags ging es dann noch schwedischer (falls möglich) weiter. Da fuhren wir dann ins nächstgelegene Dörfchen zu den Mittsommerfestlichkeiten. Die gestalteten sich so: In einem langen Marsch, angeführt von einem Fahnenträger, abgeschlossen durch Musikanten und Menschen in traditionellen schwedischen Trachten, trugen vielen kleine schwedische Kinder eine lange grüne Schlange vom Dorfzentrum auf eine große Wiese. 
 So viele blonde Kinder. :-)
Dort lag schon die Mittsommerstange/der Mittsommerbaum, der daraufhin mit dem Grün geschmückt und unter dem Applaus der umstehenden Menge aufgerichtet wurde. Anschließend wurde der Sommer willkommen geheißen, mit einem vierfachen "Hurra!".  

Dann begann der Tanz um den Baum. Zunächst begannen die Menschen in den Trachten. Leider waren die Tänzer im Schnitt 40 Jahre zu alt, um das Ganze wirklich flott und beweglich wirken zu lassen; so hatte es in etwa die Dynamik des griechischen Angriffsspiels (oh, ich sollte trotz WM nicht in zu viele Fußballvergleiche abgleiten). Aber das war egal, denn hier geht es ja um das Grundgefühl, und das war ohne Frage schwedisch. 
 Wer entdeckt Jopi Heesters?
Nachdem die feschen Mittsiebziger also ihre Bewegungskunst der Öffentlichkeit dargelegt hatten, war der Ring frei für das gemeine Volk. Vornehmlich Kinder und deren Eltern und Großeltern strömten nun auf die Wiese, um in Ringen um die Mittsommerstange zu tanzen. Sehr schönes Bild. :-)

Sehr schön auch die Kommentare des Gastvaters , zum Beispiel als eine Art Ententanz aufgeführt wurde („So reichhaltig ist schwedische Volksgesangtradition.“), oder der gleiche Tanz nochmals in entgegengesetzte Richtung ausgeführt wurde („Ah, sehr schön, mal was komplett Neues.“). In der Tat war nicht zu übersehen, dass der Mittachtziger, der die Tänze ansagte und –führte, sein Manuskript im Auto vergessen hatte, wie er eingangs murmelte (dummerweise ins bereits angeschlossene Mikrofon). Das tat aber zumindest der Freude der Kinder und von mir keinen Abbruch. :-)
Am Rande der Veranstaltung konnte ich übrigens noch folgendes beobachten:
 Sind halt doch alles mal Wikinger gewesen, die Schweden.
 Abends haben wir den Tag dann zünftig mit Grillen abgeschlossen. Praktischerweise wird es dabei ja nicht dunkel, so dass es egal ist, wann man damit anfängt und wann aufhört. Allein Temperaturen und (wer hätt’s gedacht) die Mücken treiben einen irgendwann doch ins Haus.
 Ja, so war mein Mittsommerfest, schön das mal richtig schwedisch erleben zu können. Da der durchschnittliche Schwede an so einem Tag eine beachtliche Menge Alkohol konsumiert ist es an einem Freitag, so dass man sich das folgende Wochenende davon erholen kann. Vorteil für mich, denn so konnte ich noch ein wenig Ruhe und Beschaulichkeit des roten Häuschens und des großen Gartens in der Sommersonne (schön warm, aber nicht heiß) genießen.
Viele Grüße!
Hendrik

PS.: Erst jetzt veröffentlicht, nachdem ich die Bilder hochladen konnte.

5 Kommentare:

  1. Hey, toll mal wieder was im Blog zu lesen.
    Du hättest aber gar nicht so ausführlich das gabye beschreiben müssen, ein Link zu youtube mit Ikea-Werbung hätte doch gereicht ;)

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  2. Was bitte ist "gabye"? Das hat nicht mal entfernt was zu tun mit den Worten die ich kenne.

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  3. du musst nur das b gegen ein n tauschen un das y gegen ein z. So schwer ist das doch nun wirklich nicht...

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  4. Alles klar, Birte. (Hab das F gegen ein B, das e gegen ein i, das t gegen ein d und das i gegen ein e getauscht. So war es doch sicher gedacht, oder? ;-) )

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  5. Das Axtwerfen würd ich auch gern mal probieren...

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