Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist mir eine persönliche Freude Ihnen heute von meinem ersten Gasque meines neuen Schwedenabschnitts zu berichten.
Was ist eigentlich ein Gasque (sprich: Gask)? Ein Gasque ist ein Festessen, kann man sagen. Es findet so in etwa einmal pro Monat zu verschiedenen Anlässen in der Nation statt. Festlich, das zeichnet sich schon in den Kleidungsvoraussetzungen ab. Es gilt nämlich für die Herren Anzug, für die Damen entsprechendes (zum Beispiel ein hübscher Rock).
Beginnen tut das Ganze mit einem Stehempfang, das heißt es gibt Sekt und vergleichbare nichtalkoholische Getränke, und man steht mit Freunden und Bekannten zusammen und plaudert ein wenig. Beim Reccegasque, dem Gasque für alle neuen Mitglieder (Recce, sprich Resse) der Nation, fand dies in meiner Nation statt. Während sonst natürlich das komplette Gasque an ein und demselben Ort stattfindet, ist man hier für die 3 Teile in unterschiedliche Nations gewandert.
Dann wird man in den Festsaal gerufen. Dies übernimmt der 3. Kurator der Nation (jeder Nation stehen 3 Kuratoren vor; Studenten, die ein Jahr mit dem Studium aussetzen und sich "bezahlt" (lausig zwar, aber immerhin) voll der Nation widmen. Anders wäre das, was ich im letzten Eintrag beschrieb, nicht organisierbar). Er oder sie hat einen großen Stab, mehr wie ein mannsgroßes Zepter, mit dem er/sie auf den Boden stampft und das Gasque im Anschluss für eröffnet erklärt.
Im Saal (man kann es wirklich Festsaal nennen, denn er ist oft sehr prächtig) stehen dann schon die gedeckten Tische, aber man rennt nicht einfach hinein und setzt sich irgendwo hin. Das würde ja nur dazu führen, dass jeder bei seinen besten Freunden sitzt. Stattdessen hängt vor dem Saal ein Sitzplan aus, der vorher mehr oder minder zufällig erstellt wurde. Einzige Regel: Soweit von der jeweiligen Teilnehmerzahl aus möglich sitzen Damen und Herren abwechselnd, so dass man links, rechts und gegenüber jeweils das andere Geschlecht sitzen hat. Ich war gestern wegen des Frauenüberschusses quasie komplett von Damen umgeben. Dabei ist die rechte Dame die wichtige (soweit ich das richtig verstanden habe); ihr gegenüber hat der Herr den Abend über eine besondere Verpflichtung und hat sich um ihre Kurzweil und Zerstreuung zu sorgen.
Nun ja, das ganze System hat jedenfalls zur Folge, dass man fast immer jemand Neues kennenlernt, was je nachdem sehr witzig werden kann. Nicht das Schlechteste.
Wenn alle an ihrem Platz stehen, wird gewartet bis die wichtigsten Personen (Inspektor mit Frau, sonst die Kuratoren) sich setzen, dann darf auch der Rest Platz nehmen. Die Zeit dahin vertreibt man sich, indem man sich schon mal mit seinen Sitznachbarn bekannt macht. Nach kurzer Zeit wird dann die Vorspeise serviert (ein Gasque hast in der Regel 3 Gänge, besonders tolle auch mal 1-2 mehr).
Vorspeise
Doch meist noch bevor man sich hungrig wie man ist darauf stürzen kann, passiert schon etwas. In der Regel ist das eine Ansage vom 3. Kurator, der den Abend einleitet, was beispielsweise bedeutet, dass der Gesangsmeister vorgestellt wird. Er, und nur er, ist den restlichen Abend über für die Auswahl der Lieder zuständig. Denn bei einem Gasque wird schrecklich viel gesungen, je mehr desto besser! Der Gesangsmeister- dieses Semester bei meiner Nation eine Gesangsmeisterin - führt sich dann meist auch direkt mit einem Lied ein. Wichtigster Inhalt der Lieder ist Alkohol, danach Frauen. Nichts zwangsläufig Tiefsinniges also. Man beginnt dann also mit der Vorspeise, und unterhält sich währenddessen und auch danach ein wenig mit den Menschen um sich herum. Wenn man Glück hat findet man Gemeinsamkeiten, dann kann es ein sehr lustiger Abend werden. Wenn man etwas weniger Glück hat sitzt man neben Menschen die nicht reden wollen, können oder ansonsten lauter Bekannte um sich haben und mit denen reden. Und ein wenig liegt es natürlich auch an einem selber.
Ich mit Sitznachbarin von links.
Dann folgt der Hauptgang, meist schon etwas besseres Essen. Damit meine ist zum Beispiel Steak oder Filet, nicht sowas wie Nudeln mit Tomatensoße oder Fischstäbchen.
Gewohnt fleißig dokumentiert: Das Hauptgericht.
Noch bevor man beherzt zulangen kann passiert aber schon wieder etwas. Beispielsweise nachdem man selbst schon so viel gesungen hat der Auftritt eines Chores (gestern war es unser Männerchor, ein großer Erfolg!), ein Theaterstück oder vielleicht eine Rede.
Männerchor der Västgöta(VG)-Nation.
Das Ganze dauert in etwa genau so lange wie es braucht, dass der Hauptgang kalt wird (so meine Erfahrung). Diesem widmet man sich nach dem soeben erfahrenen Genuss für Ohren und/oder Augen in der Folge, um auch die Geschmacksknospen auf eine höhere Ebene des Empfindens zu heben. Unnötig zu erwähnen, dass auch währenddessen wieder gesungen wird, nicht wahr? Übrigens sind es auch immer die passenden Lieder zu den Getränken: Ein Schnapslied, ein Bierlied, ein Weinlied, ein Punsch(=Likör)lied,... . Zwischendrin gibt es zur Abwechslung aber auch andere Lieder, über Mädchen mit Blumen im Haar oder wie man die Schwiegermutter im Fluss ertränkt hat. Ja, die Lieder haben schon oft einen humoristischen Einschlag, darf man wohl sagen.
Elanvoller Gesang mit offensichtlichem Spaßfaktor.
Krönender Abschluss des Mahles ist das Dessert. Fein angerichtet rundet es das Geschmackserlebnis ab.
Beerendessert, noch wesentlich leckerer als es aussieht!
Spätestens jetzt sollte man damit anfangen sein Gesangsbuch, so man denn eines hat (und man sollte!), herumzureichen. Dorthinein lässt man seine Sitznachbarn/-gegenüber etwas Nettes schreiben (wenn man will auch noch den übernächsten Nachbarn, jemanden den man kennt der ganz woanders sitzt, und manche lassen es gleich durch die ganze Reihe wandern). Das kann ganz verschieden sein, eine eher allgemeine Floskel (...war nett dich kennenzulernen...), etwas Persönlicheres, etwas in Reimform,...was einem halt so einfällt. Das darf man aber auf keinen Fall gleich nachlesen, denn das bringt Unglück. Erst am nächsten Tag (der glücklicherweise meist schon angebrochen ist, wenn man heimkommt) kann man sehen, womit man denn so bedacht wurde. Das kann je nachdem sehr lustig oder auch schockierend ausfallen.
Das Allerletzte ist dann der Kaffee, der in Schweden natürlich nicht fehlen darf. Und dann wird auch schon das immergleiche letzte Lied gesungen (ein sehr langes, feierliches), und man marschiert die Tischdame/den Tischherren am Arm aus dem Saal. Das sollte man wissen, damit man schon vor dem letzten Lied seine 7 Sachen gepackt hat.
Im Anschluss an das Gasque findet nicht selten noch eine Party statt. Das geht dann schon eher in Richtung dessen, was man aus Deutschland kennt, sprich Musik, unterhalten, was trinken, tanzen... . Dazu sind wir gestern dann in die dritte beteiligte Nation gegangen. Zum "Efterfest " (Nachfest) dürfen dann meist auch andere Leute ohne Anzug dazustoßen. Die müssen dann halt noch einen separaten Eintritt zahlen.
Efterfest in der Östgöta(ÖG)-Nation.
Ja so ein Gasque ist schon wirklich eine wunderbare Sache, könnt ihr gerne Birte, Eva und Manuel fragen wenn ihr es mir nicht glaubt, die waren nämlich schon mal dabei. Echt schade, dass es sowas in Deutschland nicht gibt. Es ist schon ein sehr besonderes Erlebnis, und ich habe schon viel, viel Spaß bei diesen Gelegenheiten gehabt. Und werde sicher auch dieses Jahr das eine oder andere Mal dort auftauchen.
Seid gegrüßt!
Hendrik
erster
AntwortenLöschenIch find du siehst besser aus mit Sitznachbarin von rechts!
AntwortenLöschenAlso manchmal frag ich mich wirklich... .
AntwortenLöschenGanz ehrlich, wenn man mich beim essen permanent unterbrechen würde, würde ich die aber sowas von zur Sau machen!
AntwortenLöschenDas grenzt ja schon an den Loriot-Clip [1] mit dem essen :D
[1] http://www.youtube.com/watch?v=rRBZ-_SlnZw
Loool, der Loriot-Clip ist tatsächlich erheiternd!!! Ich stelle es mir ehrlich gesagt auch etwas fies vor - stehen und singen statt lecker Hauptgang verspeisen!!! Aber wie "man" liest, hat es dir ja offensichtlich gut gefallen und gut getan! Und so dolle Bilder vom Essen - und sagemal, sind alle Schwedinnen so hübsch?!?!?!?! =)
AntwortenLöschenWas ich mich außerdem noch frage: wat würde denn ein kleiner armer Vegetarier bei solchen Veranstaltungen machen?
Liebe Grüße von der Judith voller Fragen
Ob Vegetarier, Anti-Alkoholiker, Fischallergist, alles kein Problem. In Schweden ist man solchem sehr aufgeschlossen, und folglich kann man bei der Anmeldung jeden Wunsch loswerden.
AntwortenLöschenOb alle Schwedinnen so hübsch sind? Naja, viele schon. :-) Aber in Deutschland gibt es ja auch einige, die sich nicht verstecken müssen. :-)
Ich möchte beitragen, dass mir deine Kombi mit orange gefällt! =)
AntwortenLöschenDanke. :-)
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